Albanien - Teil 1: Die lange Nacht

19. Mai 2019

Gegen 16 Uhr erreichten wir die Hoheitsgewässer Albaniens. Wir setzten den schwarzen Adler auf roten Grund auf Steuerbord und darunter die gelbe Q-Flagge. Im Vorfeld kontaktierte ich unseren albanischen Agenten, Mr. Frock. Die Konversation lief einfach und unkompliziert via WhatsApp. Er bat bereits um ein Foto der Crewliste damit er die Behördengänge im Vorfeld erledigen kann. Lichtbilder unserer Pässe bräuchte er nicht. (?) 

 

Der Wind nahm rasch zu, er wehte wie angekündigt aus südlicher Richtung. Da der erste Abschnitt der albanischen Küste noch grob östlich verläuft, konnten wir etwa zwanzig Meilen Hart am Wind segeln. Der Himmel war bedeckt. Es regnete regelmäßig. Bei bis zu zwanzig Knoten wahrem Wind machten wir gut fahrt. Die Yacht krängte, lief jedoch trotz hohen Wellen wie auf Schienen ohne zu stampfen. Aus unseren Lautsprechern im Cockpit dudelte albanisches Radio. - Die Musik war gut und nur von wenig Moderation unterbrochen. Der Song "Last Christmas" war ein wenig irritierend.

Wir passierten die Hafeneinfahrt von Shengjin, welche bei südlichen Winden keinen Schutz bietet. Im Hafen selbst waren lediglich Arbeitsboote. Teils schwimmend als auch häufig auf Grund liegend. Die Schiffe mit Wasser unterm Kiel hatten ihre beste Zeit weit hinter sich. An einem Steg waren zwei größere Schiffe im Päckchen festgemacht. Ein junger Mann in schwarzer Lederjacke winkte uns aufgeregt und deutete auf eine freie Lücke vor ihm. Sie war für unsere Yacht zu schmal, sodass wir neben den im Päckchen liegenden Arbeitsbooten festmachten. 

 

Es war ein unwirkliches Bild: Ein äußerst heruntergekommener Hafen mit zahlreichen Wracks und irgendwo war eine weiße Segelyacht verzurrt. Auf dem Steg verluden eifrige Arbeiter Sand auf einen Frachter. Starker Wind und ergiebiger Regen ließ das Starten unserer Drohne leider nicht zu. Die Aufnahmen hätten von einem wirklich interessantem Panorama gezeugt.

 

Nachdem unser Helfer weit genug entfernt vom Schiff war konnten wir nicht anders und mussten erst einmal laut loslachen. Am Morgen noch im schönsten Yachthafen der adriatischen Gewässer aufgewacht, war dies doch schon ein harter Kontrast. Wir wussten schon während den Törn-Vorbereitungen was uns erwarten wird und waren umso neugieriger auf Albanien. Dieser Hafen war in dem Moment jedoch so unwirklich, dass man unweigerlich grinsen musste.

Anstelle des jungen Helfers vor Ort erwarteten wir einen älteren gut gebauten Herren, welcher in der zuvor erworbenen Video-Dokumentation von Christian Winkler vorgestellt wurde. Auch zahlreiche Berichte in Segel-Foren zeugten von seiner Gastfreundlichkeit, sofern man auf einem Schnaps mit ihm nicht verzichtete. Unser Helfer stellte sich nach dem Anleger als Sohn von Mr. Frock vor. Sein Vater sei in Amerika. Dort wolle er auch gerne hin, hätte aber kein Visum. 

 

Er zeigte uns die Stadt und empfahl ein Restaurant. Laut Aussage von Mr. Frock Junior sei dies das beste Lokal. Auf dem Weg konnten wir uns ein näheres Bild vom Örtchen machen. Es bestand wie schon vom Weiten gesehen größtenteils aus maroden (Platten)-Bauten in strukturloser Anordnung. Kreuz und quer verliefen Stromkabel von Haus zu Haus. Streunende Hunde und Katzen tapsten durch die Gassen. Ein plötzlich auftretender Platzregen unterstrich die traurige Szenerie. Im Sommer soll dies ein beliebtes Urlaubsziel von osteuropäischen Touristen sein. Bei schönem Wetter wird die Gegend gewiss auch freundlicher aussehen, die "Promenade" machte auch bei dem schlechten Wetter einen recht einladenden Eindruck.

Das Restaurant war hübsch eingerichtet und das Essen richtig gut. Es gab Fisch. Mit Beigetränken und einem vollem Glas Raki aufs Haus hatten wir für fünf Personen etwa 65€ bezahlt. 

 

Unser Agent erledigte trotz der späten Stunde in der Zwischenzeit den Behördenkram. Noch bevor das Essen auf dem Tisch stand war er bereits zurück und händigte mir einen DIN A5 - Zettel aus, der uns die Weiterfahrt nach Durres erlaubte. Die Gebühr für alle Erledigungen betrug 50€. 

 

Wir wollten am nächsten Tag früh aufbrechen. An der Yacht prüfte ich vor dem Sprung in die Koje noch sämtliche Leinen des Dreierpäckchens. Der weiterhin starke Wind drückte die Wellen gegen unser Heck. Bessere wäre es gewesen, sie mit dem Bug voraus zu legen. Das Klatschen des Wassers gegen die Polaris war in den Achterkabinen deutlich zu vernehme und ließ mich nur schwer in den Schlaf kommen.

20. Mai 2019

Wir mussten früh los: Starke südliche Winde waren angekündigt und das für die nächsten zwei Tage. Die Situation stellte uns erneut vor große Probleme! Wir hatten bis jetzt schon viel Zeit verloren, da Wind und Welle ständig gegen uns gewesen sind. Die nächsten 90 Seemeilen verliefen südlich an Albanien hinab. Mit dieser Aussicht war mir bewusst, dass unser Volvo Penta zwei harte Tage haben wird. Besser nochmal Ölstände prüfen. Er ist ein wirklich zuverlässiger und starker Motor, immerhind 43kw, der mich bisher nie im Stich gelassen hat. Da der Wind am Vormittag noch moderat sein sollte, ließen wir ihn um 05:30 Uhr morgens an. Wir trieben ihn zur Höchstleistung um die Etappe von 35sm nach Durres zu überwinden und das unbedingt bevor der angekündigte starke Südwind gegen Mittag loslegen soll. Zum Glück machten wir bei halbwegs flachen Wellen noch gut Fahrt. Es war bedeckt und immer wieder setzte Regen ein. Die flache Küste war auch hier anspruchsvoll zu navigieren. Es schwamm jede Menge Müll herum. Zwischenzeitlich kontaktierte ich unseren nächsten Agenten via WhatsApp. Die Kommunikation war auch hier sehr einfach.

Gegen 11:00 Uhr erreichten wir Durres. Durres ist eine erstaunlich große Hafenstadt. Eine riesige Zollmole bot ausreichend Platz. Eine andere Yacht unter deutscher Flagge lag schon dort. Unser Agent stand ebenfalls bereit. Er nahm meinen "Passierschein" entgegen. Ich fragte ihn, ob es möglich sei, bis Sarande durchzufahren ohne in Vlores zu halten. Das war für eine Extragebühr von 10€ kein Problem.

 

Guten Quellen zufolge muss eine Sportyacht nach albanischen Gesetz seit schon längerer Zeit nicht mehr an jedem Hafen halten. Die Agenten bzw. Hafenmeister und Polizisten ignorieren dies jedoch regelmäßig und machten Schwierigkeiten, wenn man entsprechende Passierscheine nicht vorweisen kann.

Ich war froh, dass ein Zwischenhalt in Vlores nicht mehr der Dokumente wegen notwendig war und schickte meine Crew zum Vertreten der Beine in die Stadt. Ich blieb bei der Polaris und unterhielt mich mit den Seglern der Yacht vor uns. Sie waren über die Nacht von Italien aus gekommen. Man wollte Richtung Montenegro weiter. Wir selbst hatten uns entschloss, gegen 14 Uhr bis Vlores weiterzufahren. Die Bedingungen schienen besser als vorhergesagt. Und zur nur Not können wir umdrehen, falls wir vor dem angekündigten starken Wind nicht durchkommen. Man sollte nicht vergessen, dass es zwischen Durres und Vlores keine schützende Bucht geschweige einen Hafen gibt! 

 

Die Reservekanister waren leer und sollten noch unbedingt befüllt werden. Jedoch gibt es in Durres keine Tankstelle für Yachten. Laut dem Agenten würden die großen Schiffe Kraftstoff direkt von Tankschiffen beziehen. Bis Sarande hätten wir keine Möglichkeit zu tanken. Die einzige Lösung war der beschwerliche Gang in die Stadt samt zwei 30l - Reservekanistern. Unser Agent versprach mir, dass ein deutschsprachiger albanischer Hafenarbeiter dabei hilft. Dieser traf auch kurz nach dem Gespräch ein. Er brachte mich zu seinem Auto und fuhr uns hilfsbereit zur Tankstelle. Freundlich und zuvorkommend, wie bisher alle Menschen die wir in Albanien kennenlernen durften. An der Tankstelle konnte in Euro bezahlt werden. 1,30€ kostete der Liter. Der nette Herr machte darauf noch eine kleine Stadtrundfahrt.

Er erklärte mir, dass die albanischen Bürger in Frieden zusammenleben und kein Unterschied ob der Religion gemacht wird. - Was mich nebenher mehr faszinierte war der dichte, jedoch reibungslos funktionierende und stressfreie Straßenverkehr. Hielt ein Fahrzeug in zweiter Reihe, fuhr man einfach drumherum ohne wild zu hupen oder zu pöbeln. Jeder Verkehrsteilnehmer achtete auf den anderen und ließ ihn zur Not einfach gewähren und blieb dabei gelassen.

 

Da wir mit dem PKW nicht auf das Gelände des gut gesicherten Industriehafens dürfen, mussten wir die letzten hundert Meter mit vollen Kanistern laufen. Eine Mitarbeiterin des Hafens schien zu bemerken, wie wir uns abmühten und eilte zügig mit einer Schubkarre herbei.

Wir kamen gegen 14:00 Uhr mit vollen Kanistern an der Polaris an. Meine Crew war pünktlich wie verabredete zurück. Auch unser Agent stand mit erledigtem Papierwerk bereit. Ich erhielt erneut einen Din A5 Passierschein und 60€ wechselten den Besitzer. Wir legten bei strahlendem Sonnenschein ab. Da die Etappe auf alle Fälle bis in die Nachtstunden gehen wird erarbeiteten wir nach kurzer Absprache einen Schichtplan. 

Mit 6,5kn Fahrt unter Motor liefen wir gen Süden. Zwischenzeitlich versuchten wir zu segeln. Bei der starken Strömung hätten wir aber tagelang aufkreuzen müssen. Der Wind war noch moderat mit maximal 15 Knoten. Gegen 19:00 Uhr wurde er stärker und lag zwischen 20 und 25 Knoten. Überraschenderweise hatten wir trotzdem noch etwa fünf Knoten fahrt. Aufmerksam beobachteten wir die Nimbostrati, welche sich auf der gesamten Strecke auf dem Weg nach Vlores an der Küste Albaniens entwickelten. Vor Sonnenuntergang traten aus ihnen die ersten Regenschauer hervor. Nach Sonnenuntergang konnten wir erste Blitze sehen. Ich bereitete meine Crew auf eine lange Nacht vor. Bei starken Wellen fing die Polaris gehörig an zu stampfen. Unser Propeller konnte das Wasser in Folge nur schwer greifen. Ich reduzierte die Fahrt, damit der Rumpf ruhig im Wasser lag. Die folgenden Stunden machten wir gerade mal vier Knoten über Grund. Mit Raumwind wären wir schnell wieder in Durres gewesen. Die Hälfte der Strecke war zu diesem Zeitpunkt jedoch schon bewältigt. Wir entschlossen uns durchziehen mit dem Bewusstsein, dass bei diesen Umständen der Rest der Strecke erst bei Sonnenaufgang geschafft sein wird. Immer mehr Gewitter bauten sich an der Küste auf.

Ich legte mich gegen 23 Uhr im Salon aufs Ohr. Blitze erhellten ihn in Sekundentakt. Die etwas später zu hörenden Donner zeugten jedoch von einem noch ordentlichen Abstand zum Unwetter. Kurz nach Mitternacht waren Lars und ich an der Reihe und hielten Wache im Cockpit.

 

Nur noch etwa 15 Seemeilen bis zur Bucht von Vlores: Wir sahen bereits das Leuchtfeuer, welches auf einer Insel westlich regelmäßig aufblitzte. Auf Backbord über der Küste Albaniens reihten sich Gewitter und zogen zügig nordwärts. An Steuerbord gen Italien ein sternenklarer Himmel. Vor uns ein riesiger Cumulonimbus. Unsere Distanz zur Küste betrug etwa fünf Seemeilen. Die hohen Wellen schlugen von allen Seiten gegen die Polaris, welche mit langsamer Fahrt parallel zur Küste hinauf fuhr. Wir entschlossen den Abstand zur Küste zu wahren, solange die Gewitter ebenda tobten! Zwei meiner Skipper gingen erstmal ins Bett um für die Morgenstunden parat zu sein. Eine Crew, die bei jeder Wetterlage immer die Nerven behält, findet man nicht überall! Hut ab. Es ist angenehm mit ihnen unterwegs zu sein.

 

Mein blickt wendete sich wieder nach vorne. Ich musste aufgrund von Regen und Wind die Augen zukneifen um etwas sehen zu können. Das Leuchtfeuer von Vlores, vorher samt Insel noch sehr gut zu sehen, blitzte zunehmend immer schwächer und schwächer auf bis es verschluckt wurde. Die Zelle wanderte in unserer Richtung! Wir drehten das Ruder auf Steuerbord und steuerten westwärts aufs Meer ab und reduzierten die Fahrt, da die Wellen immer höher schlugen. Das Deck wurde immer wieder von beiden Seiten überspült. Die Sicht reduzierte sich zunehmend und die herabfallenden Wassermassen waren schon deutlich zu hören.

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