Korfu - Teil 3: In Seenot

28. Mai 2019

Meine zweite Crew bestand, mich mitgezählt, aus vier Teilnehmern. Eine davon, Vicky, war bereits das vierte Mal auf der Polaris. Beim fünften Törn gibt es eine Urkunde. 

Die Kabinenaufteilung war einfach: Jeder hatte eine Rückzugsort für sich. Ich blieb achtern auf Backbord und wusste bereits, dass ich das erste und letzte Mal diese Kabine beziehe. Richtig zum Schlaf kam ich dort nicht:

 

Zwanzig Jahre hatte ich die Doppelstock-Kabine im Bug bezogen. Bei unserem ersten Urlaub lag ich als kleiner Bengel, sobald das Boot in Fahrt war, die meiste Zeit unter Deck. Das war 1999. Mit einem Fuß aus der Deckenlucke lümmelte ich in meiner Koje und las "Harry Potter und der Gefangene von Askaban". Das Buch war wenige Tage vor unserem damaligen Urlaub erschienen.

Erst wenn ich das Arbeiten der Ankerwinde hörte und die Kette mit viel gepolter aus dem Kasten rauschte, dann machte ich mich bereit und hüpfte, sobald der Penta abgestellt wurde, ins Wasser zum Schnorcheln. Sonnencreme? Dafür konnte ich mich meist erfolgreich drücken. Mein Rücken war quasi jeden Urlaub verbrannt! Vielleicht wird mir meine Haut das irgendwann doch heimzahlen. Als Kind fühlt man sich unsterblich.

Mein Interesse am aktiven Segeln kam erst viel später! Die Grundlagen hatte ich mit sechs Jahre auf einem Binnengewässer in Niedersachen gelernt: Dem Dümmer.

 

Zurück nach Korfu: Wir saßen am späten Nachmittag beim Begrüßungsbier. Die Crew bezog ihre Kabine, danach ging es in die kleine Stadt Gouvia zum Abendessen. Den langen Fußweg konnten wir abkürzen: Ein Shuttle-Golfcar kam zufällig daher. Der Fahrer brachte uns zum nördlichen Ausgang der Marina. Der gesamte Fußweg, trotz günstig gelegenem Steg, beträgt immerhin etwa zwanzig Minuten.

Nach einem Spaziergang fanden wir uns im Restaurant Mythos wieder, wo ich bereits mit der vorherigen Crew unsere Ankunft in Griechenland zelebrierte. Dort gab es zwar keine klassisch-griechischen Gerichte aber üppige Portionen. Und dazu preiswert. 

Nach dem Mahl ging es noch zum Strand und im Anschluss zur Yacht, wo wir nach einem Getränk in der Pflicht ins Bett fielen. 

29. Mai 2019

Am nächsten Morgen: Nach dem Frühstück brachen wir auf zum außerhalb der Marina befindlichen A&B Supermarkt. Der Grundeinkauf musste erledigt werden. Der Laden wurde mir von dem netten Pärchen mit eigener Yacht empfohlen, welches wir bei unserer Ankunft in Griechenland kennenlernen durften. Natürlich gab es auch in der Marina einen Supermarkt. Jedoch war die Miracoli-Packung dort teurer als eine Portion Spaghetti im Restaurant.

Der A&B jedoch lies keinerlei Wünsche offen, war preiswert und lag zudem recht nah an der Marina. Mit gratis Liefer-Service zum Steg! Wir bunkerten die Polaris so voll, dass es tatsächlich bis zum Ende des Törns reichte. 

(Außer Bier, überrascht aber nicht...)

 

Nachdem alles verstaut war gab es die übliche Sicherheitseinweisung: Beginnend unter Deck (Feuerlöscher, Distress, Seeventile, Rettungswesten,...) ging es weiter aufs Deck. Ich zeigte wo unsere Rettungsinsel verstaut war und das wir in Küstennähe bei moderaten Wetter dann doch besser das Dinghi nutzen. Hinweise über Hinweise. Sicherheit ist das A&O und für mich ist das allerwichtigste, dass die Crew "und die Karre" heile zurück bringe. Wie mein damals ausbildender Skipper zu sagen pflegte. Das ist mir bisher gelungen.

 

Nebenbei startete ich den Motor, spazierte mit der Crew zum Bug wo wir uns die Kopfschläge der Vorleinen ansahen. Vicky, viermalige Teilnehmerin, blieb als Expertin vorne. Mit den anderen beiden ging es zurück in die Pflicht. Nach kurzer Einweisung, dass nur das getan wird, was der Mann am Rohr befiehlt, wurden die Leinen gelöst. Wir kamen problemlos aus der Box. Unter Motor weiter zur Tankstelle und dann raus zwischen den Tonen her mittels gesetzter Genua ins ionische Meer: Hart am Wind. Der Skipper erklärte, wie das alles so funktioniert: Mit Magie. Reiner Magie. 

 

Ich saß mit Bennet im Cockpit.

 

"Was ist mit dem zweiten Segel?"

 

"Das hat Pause, gibt es am zweiten Segeltag." - Am ersten Segeltag sollte die Crew erstmal ein Gefühl für das Segeln und die Yacht bekommen. Auch das hatte mir mein Ausbilder gelehrt. Ich finde es goldrichtig.

 

So konnten außerdem die Damen bei leichter Krängung auf dem Vorschiff sonnen. Irgendwann hatte Bennet, vom Beruf Landwirt, das Ruder übernommen. Ich war beeindruckt: Er fuhr meine Karre geradeaus wie ein Profi! Nicht ein einziges Mal flatterte das Segel.

 

"Ist wie Trecker fahren aufm Feld! Punkt am Horizont suchen!", so Bennet. Ich konnte mich zurücklehnen.

 

Nachdem wir dann ohne ausklarieren doch wieder versehentlich albanische Gewässer erreichten ging es mit nem Raumschot schnell zurück zu der langen, tiefen Bucht von Korfu. Nach zwei Stündchen Pause vor Anker fuhren wir in die bewährte historische Marina von Korfu. Der erste Segeltag wurde mit einem Spaziergang beendet. 

30. Mai 2019

Am Morgen unseres dritten Tages war es bewölkt. Ich verblieb auf dem Schiff während der Rest meiner Crew in Korfu spazieren ging. Später kamen sie mit frischem Fisch und Gemüse zurück. Wir wollten die kommende Nacht vor Anker schlafen. Für das Abendessen war also gesorgt. Gegen 11 Uhr verließen wir die Altstadt-Marina und segelten bis zur südlichen Spitze von Korfu. Wir hatten durchschnittlich zehn Knoten Wind. Unter Vollzeug machte unsere Polaris bis zu acht Knoten fahrt. Die Wellen waren sehr flach und sollten nicht stören. Der Tag war ereignislos aber seglerisch wunderschön. Gegen Abend kam sogar die untergehende Sonne nochmals hervor. Es entstandene hervorragende Bilder mit der Drohne. Und das Abendessen bei gefüllter Paprika, Reis und gebratenem Fisch war köstlich.

 Nach schönen Gesprächen bei kalten Getränken, als der Mond bereits den Nachthimmel erleuchtete, machte ich mich irgendwann mit Decke, Matratze und Kopfkissen bewaffnet auf zum Ankerkasten. Vor Anker liegend schlafe ich dort unter Sternenhimmel viel zu gerne!

 

31. Mai 2019

Die ersten Sonnenstrahlen weckten mich gegen sieben Uhr. Es war erstaunlich windig. Fünfzehn Knoten aus Nord ließen unsere Yacht leicht tanzen. Mein Kopfkissen war verschwunden. Es sollte diesen Urlaub nicht der einzige Ausrüstungsgegenstand sein. Ich versuchte noch eine Weile zu dösen. Gegen Acht schlich den Niedergang hinab in den Salon. Der erste standartgemäße Kontrollblick auf den in roten Ziffern leuchtenden Voltmeter verriet mir: Alles optimal. Und die beiden Service-Batterien wurden durch die Solarmodule bereits wieder geladen.

 

Auch unser Hauptwassertank war voll. Wir waren letztlich auch nur zu viert und erst einen Tag unterwegs. Ich stellte das Ankerlicht ab, und trippelte auf leisen Sohlen zum Kühlschrank. Ich hatte ihn in der Nacht abgestellt, damit der brummende Ventilator meine Crew nicht zu sehr beim Schlafen stört. Das Aggregat macht das enthaltene Gut zudem nahezu eiskalt und die Box ist so gut gedämmt, dass es ein paar Stunden ohne Kühlung problemlos übersteht. Jetzt war es jedoch an der Zeit, das Thermostat wieder aufzudrehen und die morgendliche Skipper-Cola zu entnehmen. Den Niedergang wieder raufgeschlichen machte ich es mir im Cockpit gemütlich. Das Wasser war unfassbar klar. Bei zehn Metern Wassertiefe konnte man problemlos auf den Grund sehen. Ich konnte es mir nicht nehmen, zog mir eine Badehose an und hüpfte mit einer Arschbombe ins Wasser! Das schönste der Welt ist das morgendliche Bad im sonnenbeschienen Meer nach einer Nacht vor Anker. Nach und nach kamen die einzelnen Crew-Mitglieder rauf. Es war für alle tatsächlich die erste Gelegenheit im Meer zu baden.

 

Der Skipper räumte das Spielzeug aus der Backskiste. Zwei Schnorchel und eine Luftmatratze. Die Luftmatratze war kaputt. Überraschung.

Nach dem Baden rissen wir den Anker aus dem Grund und tuckerten aus dem unteren Knick von Korfu hinaus. Unser Ziel war die etwa fünfzehn Seemeilen südlich liegende Paxos-Inselgruppe. Wir waren von der Sonne verwöhnt. Die Herren segelten, die Damen bräunten sich. Es war schön.

 

An den Paxos-Inseln angekommen wurden Wind und Welle immer stärker. Wir refften die Segel und saßen in der Pflicht. Sonnen auf Deck war nicht mehr möglich. Die Bucht bei Anti-Paxos, in welcher wir eine Pause einlegen wollten, war heillos überfüllt. Wir fuhren eine Bucht etwas weiter nördlich an. Auch hier lagen schon viele Yachten. Das Wasser war klar. Der Sand weiß. Das Zusammenspiel von Wasser und Sand erschien türkisfarben, wie aus einem Reisekatalog! Unseren Ankerplatz mussten wir aufgrund der vielen Yachten so weit draußen wählen, dass wir von Wind und Welle nach wie vor leicht durchgeschüttelt wurden. Für einen einstündigen Badestopp reichte es vollkommen! Da das Wetter jedoch erst gegen nach Mitternacht besser werden sollte, empfahl der Skipper, die kleine Stadt Gaios aufzusuchen, wo ein Hafen Schutz bieten sollte. Dort gab es laut Revierhandbuch auch Wasser und Strom. Es sah sehr einladend aus.

 

Wir fuhren aus der Bucht heraus und mussten gegen Wind und Welle an. Es waren ca. fünf Meilen zu bewältigen. Die Wellen waren schon beträchtlich hoch. Und der Wind fegte mit bis zu dreißig Knoten über die Polaris hinweg. Meine Crew war da noch zu unerfahren, als das wir stundenlang nach Gaios raufkreuzen. Da musste unser geprüftes Maschinchen herhalten.

Wir saßen mit Rettungswesten in der Pflicht und fuhren dicht an Anti-Paxos vorbei. Die Wellen waren erträglich. Auf Backbord bemerkte ich dicht an der Insel Treibgut. Ein etwas größerer, weißer Umriss und drum herum rote Punkte. Sie tanzten im Wasser auf und ab. Wir sahen genauer hin: Das war kein Treibgut, das waren Menschen! Ein halbes duzend Menschen klammerte sich an einem umgeworfenen kleinen Motorboot fest! Ein in etwas weiterer Entfernung stehendes großer Touristendampfer schien die in Seenot geratene Personengruppe ebenfalls bemerkt zu haben. Ich konnte auch den Kapitän ausmachen, welcher bereits ein Funkgerät in der Hand hielt und gewiss einen Notruf absetzte. So konnten wir uns auf die Rettung konzentrieren. Wir waren auch deutlich dichter dran und das kleinere und wendigere Schiff, mit einer Badeplattform, die nur eine Handbreit über Wasserhöhe war. Ideal um Menschen aus dem Wasser zu ziehen! Moderne Yachten mit flachem Spiegel haben da schon ihre Probleme. 

 

Ich legte den Gashebel nach vorne. Der Penta röhrte. Mit rund acht Knoten Fahrt brausten wir zu den in roten Rettungswesten treibenden Menschen. "Rettungsringe klar machen, Leinen vorbereiten! Wir holen sie über unsere Badeplattform rein! Ich fahre rückwärts ran!"

 

Unsere beiden Rettungsringe waren ohnehin mit Rettungsleinen versehen. An eine unserer Achterleine knüpften wir zusätzlich den dicken Kugelfender, damit möglichst viele Leute etwas zu greifen haben. Auf einer halben Schiffslänge Abstand warfen wir das Rettungsmaterial entgegen. Als erstes zogen wir ein junges Mädchen aus dem Wasser, dessen Lippen schon blau angelaufen waren. Es zitterte am ganzen Leib! Hiernach konnten wir ihren durchgefrorenen Vater aus dem Wasser bergen. In der Zwischenzeit hatte das Ausflugsboot die anderen drei Menschen retten können.

 

Wir unternahmen einen kurzen Versuch, das gekenterte Boot zu schleppen. Ich ließ den Versuch abbrechen. Es war doch zu gefährlich. Der Ausflugsdampfer setzte Kurs auf Paxos. Wir brausten hinterher. In der Passage zwischen Antipaxos und Paxos wurden wir nochmal kräftig durchgeschüttelt. Ein Polizeiboot kam uns entgegen und fuhr zur Unglücksstelle.

Vater und Tochter wurden zwischenzeitlich in Decken eingepackt und mit warmen Getränken versorgt. Eine halbe Stunde hatte man bereits im Wasser getrieben!

 

Später fuhren wir in die Einfahrt von Gaios ein. Das Ausflugsschiff war gerade dabei festzumachen. Zahlreiche Krankenwagen standen bereit. Eine große Menschentraube war versammelt. Der Steg hatte noch viel Platz. Aber keine Moorings! Ich hatte noch nie ein Manöver unter Buganker als verantwortlicher Skipper gefahren!

Ich gab eine Erklärung was wir vorhaben und dank der hervorragend Crew gelang das Manöver mit Bravour. Drei Schiffslängen vor dem Steg lies Bennet den Anker runter. Nah genug und der Pier warfen Vicky und Maren die Achterleinen zügig rüber.

Ich holte unsere Gangway aus der Backs. Vater und Kind begaben sich in unserer Decken verhüllt in den Krankenwagen. Die in Tränen aufgelöste Mutter stand an der Pier und bedankte sich hundertfach.

 

Eine kleine uniformierte Frau mit blondem Zopf stand ebenfalls am Steg und wollte mich sprechen. Sie schien die Hafenmeisterin zu sein. Ich sagte genervt dass sie gleich meine Dokumente bekommt und ich bezahlen werden. Ist ja doch immer das Wichtigste, bevor man eine Mooring bekommt. ;-)

"No! Don't worry! Thank you a lot! Of course, you will get the bearth for free!"

 

Fortsetzung folgt....

 

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