Korfu - Teil 2: Der einsame Skipper

26. Mai 2019

Skipper Philipp hatte die Yacht am Sonntagmorgen verlassen. Zuvor segelten wir noch eine kleine Runde und ich bekam sogar ein Geschenk: Einen neuen Fender, beschriftet mit allen Zitaten unserer zweiwöchigen Reise, die ein Skipper René so von sich gibt. :-)

 

Bis Dienstagnachmittag sollte ich erstmal alleine auf der Polaris sein. Monate zuvor hatte ich mir bereits große Ziele für diesen Zeitraum gesteckt: Siebzig Seemeilen wollte ich alleine bis Lefkas Einhand fahren. Die Insel liegt südöstlich von Korfu. Die Idee kam mir in meinem Stammlokal, welche von einer griechischen Familie in meiner Heimatstadt Bielefeld betrieben wird. Dort hängt eine Foto-Tapete mit einer wunderschönen Bucht. Man berichtete mir, dass die Bucht bei Lefkas liegt. Mein Vorhaben war von da an, dass sie getauscht wird: Ich wollte mit meiner Drohne ein identisches Bild aufnehmen. Mit dem Unterschied, dass unsere Familien-Yacht zu sehen ist.

 

Aber zurück zum sonnigen Sonntagmorgen, kurz nachdem Philipp die Yacht verlies. Ich drehte unter Motor eine viertel Stunde seelenruhig an Korfu-Stadt nördlich entlang, bis ich einen hübschen Hafen entdeckte. Er lag unter einer großen Klippe etwas versteckt. Mit meinem Handfunkgerät rief ich den auf einem Schild vermerkten Ruf-Kanal und fragte, ob ich für die Nacht verweilen könne. Dies wurde positiv quittiert. Ich bereitete alles für ein römisch-katholisches Manöver vor. Die Achterleinen lagen parat. Ich fuhr in das recht flache Hafenbecken. Eine ganze Reihe Boote lagen mit dem Bug voraus zur kleinen Pier, welche zur Meerseite aufgeschüttet wurde. Dort stand der Marinero mit Funkgerät. Seine Hand rotierte mit ausgestrecktem Finger und ich verstand: Auch für mich sollte die Reise vorwärts an die Pier gehen. Nie gemacht! Nichtmal bei meinem Ostsee-Ausbildungstörn wo es ja durchaus üblich ist. Und hier gab es nichtmal Dalben!

"Rückwärts kann ich besser aussteigen." hatte mein damaliger, recht korpulenter Skipper gebrummt.

 

Im Hafenbecken quittierte ich "I will prepare everything!" ins Funkgerät. Ich erhaschte ein Grinsen. Auf ging es: Die Achterleinen wurden zu Vorleinen. Ich legte sie aufs Dinghi parat und setzte seelenruhig vorwärts in die Lücke zwischen zwei Yachten. Die Wetterlage war perfekt für diese Premiere. Mein Tiefenmesser zeigte 1,9m Tiefe. Der Grund nach vorn ging steil hinauf. Rückwärts hätte ich mir ein neues Ruderblatt gönnen dürfen, soviel stand fest. Ich stoppte auf und spazierte nach vorne und gab eine Leine über und schnappte mir die gereichte dünne Mooring, mit welcher ich zum Heck ging. Rum um die Klampe. Kopfschlag. Vorleinen fest. Rückwärts eindampfen, Mooring achtern nachziehen. Motor aus.

 

Der Aufenthalt für eine Nacht kostete für unsere Länge (43ft) 50€. Ich dankte und zahlte. Die Reise Einhand war ab dem Moment Geschichte. Da das Wetter aber komplett gegen mich sein sollte und die vergangenen vier Wochen auf der Yacht doch an meinen Kräften zerrten, war es mir auch egal. Halt mal ausruhen.

Ich erfuhr vom Marinero, dass ich im Altstadthafen von Korfu lag. Und es war einer der schönsten Häfen in denen ich je gewesen bin. Betreiber ist ein griechischer Yachtclub. Dementsprechend rustikal waren die Stege ausgestattet. Wasser und Strom waren inklusive und vorhanden. Die Nasszellen waren gut aber klein.

 

Der Marinero gab mir nach dem Anlegen eine sehr lange Holzbohle. Ich sicherte diese mit Leinen und legte Strom. Danach gönnte ich mir ein Anlegerbier. Ich blickte im Cockpit sitzend auf die hohe, von der Nachmittagssonne beschienenen Klippe. Auf halber Höhe war ein altertümliches Gebäude in welchem eine Musikschule war. Die Fensterläden waren weit geöffnet. Jemand spielte Klavier. Mir gegenüber befand sich ein langer Steg an welchem Yachten rückwärts lagen. Dahinter eine kleine Allee mit wunderschönen in voller Pracht blühenden Bäumen. Sie führte zu einer netten Bar. Dort setzte ich mich und genoss ein "Korfu Red" Kellerbier. Erstaunlich lecker.

 

Danach sah ich mich nochmal in Korfu um. Den Hafen hinaus ging es etwa fünf Minuten Fussweg durch das alte Burggemäuer, welches zu Korfu-Stadt führt. Ich schlenderte durch die Gassen. Fand ein nettes Restaurant in einer Seitengasse und aß zu Abend. Es war gut und preiswert. Zurück zur Yacht lies ich den gelungenen Tag mit einem Bier ausklingen. Bis in die späten Stunden, als der Mond schon schien, wurde weiterhin Klavier gespielt. Die Szenerie war wunderschön. Kurz bevor ich mich in die Koje legte noch ein Blick aufs Wetter: Es sollte sich am Folgetag verschlechtern. Im Hafen sollte ich jedoch geschützt sein.

 

27. Mai 2019

Es war ein Irrtum! Bedingt durch topografischen Gegebenheiten stand der Wind voll achterlich. Die Polaris rüttelte mich um acht Uhr aus dem Schlaf. Der Regen prasselte. Ich schlüpfte ins Ölzeug, sprintete den Niedergang hoch und machte mir ein Bild. Das Wetter war scheiße. Die Wolken standen tief. Die Polaris zuckte unentwegt an der dünnen Mooringleine und wollte vorwärts zum Steg. Der Tiefenmesser stand bei 1,9m. Ich wusste nach wie vor nicht, wie viel Spielraum ich hatte. Waren es zwanzig Zentimeter oder gar ein Meter? Es war mir völlig unbekannt, war es in Kroatien nie so flach, als das man sich darüber Gedanken machen muss. Unsere Devise war, das man lieber Puffer im Tiefenmesser hat, als eine genaue Anzeige. Die Polaris war nunmal viele Jahre ein Charterboot für Jedermann. 

 

Ich startete den Motor und setzte rückwärts. Ich gab Vorleine nach und musste sogar noch anknüpfen, da eine der beiden zu kurz wurde. Nachdem ich die Mooring nachzog, war ich einigermaßen zufrieden. Der Wind sollte jedoch im Vormittagsverlauf stärker werden. Mein Entschluss stand fest: Besser alleine aus der Box, als das mir diese alte Mooring platzt. Ich löste also die Vorleine auf Backbord und schritt zurück zum Steuerstand. Der Regen hatte mich schon durchnässt. Irgendwie machte es sogar Spaß. Man muss keine Angst haben, nur Respekt. Zwanzig Jahre kenne ich diese Yacht, da werde ich doch nicht an so ner ollen Pier in Korfu "zerschellen"! 

 

In die übrig gebliebene Vorleine weiter rückwärts eindampfend stellte ich meinen Steuerstand fest, dass die Polaris frei von der Mooring kam und ich diese lösen konnte. Ich begab mich zur Vorleine als ein ältere Herr daher spaziert kam. Ich bat ihn um höflichst um Hilfe. Er sollte meine Vorleine halten solange ich in diese Eindampfe, bis ich zurück am Steuerstand war. Er verstand sofort. "Please, Release!", rief ich ihm durch Wind und Regen entgegen, sobald ich bereit war. Die Polaris war schnell in Fahrt und ich kam problemlos aus der Box. Der unbekannte Helfer schaffte es sogar, die Leine aufs Schiff zu werfen, sodass ich die Maschine vorwärts setzen konnte. Ich verabschiedete mich mit einer Verneigung. Er grüßte und stiefelte zu seiner wunderschönen Halberg-Rassey und ich verstand: Ein Profi.

 

Aus dem Hafen raus wollte ich nun doch eine kleine Runde segeln. Mit der halben Genua ging es Hoch am Wind nördlich an Korfu rauf. Der Wind lies später etwas nach und die Sonne kam raus. Etwa fünf Seemeilen nördlich der Gouvia-Marina fand ich einen guten Ankerplatz. Ich warf den Trümmer ins Meer, setzte meinen Anker-Ball und legte mich nochmal ein paar Stunden aufs Ohr. Seitens der Insel schallte Party-Musik aus einer Strandbar. Besucher gab es dort nicht. Abends bekam ich ein kleines Hüngerchen. Ich telefonierte mit einem ausgezeichnet bewertetem Lokal. Es war etwa eine Seemeile nördlich der Polaris. Man konnte mir nichts zu essen bringen. Also warf ich mit Hilfe des Spi-Falls mein Dinghi ins Wasser. Was für eine Maloche. Mit dem neuen 4-Takter fuhr ich gemütlich zum Kiesstrand unmittelbar zum Restaurant. Den Schaft klappte ich kurz vor der Brandung rauf und zog das Dinghi auf den Kies. Der Wirt beobachtete mich und grüßte. Er wusste, das wir telefoniert hatten. 

 

Das Essen war ausgezeichnet! Auch der Ouzo. Und das Bier. Satt und glücklich fuhr ich bei schönem Sonnenuntergang zur Polaris zurück und dachte, dass man sich glatt an das Leben als Einsiedler gewöhnen könnte. Ich verstaute das Dinghi wieder auf Deck und zog mir zwei Folgen der Serie "Chernobyl" rein, welche zu diesem Zeitpunkt veröffentlicht wurde. Der Tag war schön.

28. Mai 2019

Der Folgetag begann wieder nicht so schön! Die Polaris zerrte an der Kette und wollte wieder mal mit dem Heck in Richtung Insel. Das war nicht meine erste Nacht alleine vor Anker. Es war die Zweite. ;-) Aber bei der ersten Nacht wehten keine vier Beaufort Wind. Ich vertraue meinem Anker. Der Kettenabstreifer unserer Winch war jedoch nicht mehr vorhanden sodass die Kette sich gerne mal eindrehte. Die Ersatzteile hielten auch alle nie so lange. (Jetzt 2020 haben wir eine neue gekauft, damit das Elend ein Ende hat.)


Das Manöver alleine war demnach eine kleine Herausforderung. Mit Auto-Pilot und Maschine gaaaanz langsam vorwärts konnte ich die Kette samt Anker wieder in den Kasten befördern. Ich segelte zur Gouvia-Marina und machte fest. Zum Glück bekam ich diesmal unmittelbar neben der Wäscherei einen Liegeplatz! Ganz in der Nähe lag eine Dufour 41 Classic. Und einer Yacht mit dem Namen "Iris" - der Vorname meiner Erzeugerin. ;-)

 

Die Sonne schien, ich putzte und schrubbte die Polaris. Die Wäscherei arbeitete zuverlässig, sodass schon um 15 Uhr alles bereit und bezogen war. Und meine Wäsche der letzten Wochen an der Reling trocknete.

Ich schlenderte zu einem kleinen Marine-Store und gab den ein oder anderen Euro fürs Schiff aus. Ich fand sogar Tür-Schnapper, welche aus robusten Metall waren und von den schon lange nicht mehr vorhandenen Originalen nicht zu unterscheiden waren! Ich schraubte die Plastik-Imitate aus und präsentierte das Ergebnis stolz meinem Vater via WhatsApp. Wieder ein Stück schöner. Die Polaris. Ich setzte mich mit einer Dose in die Pflicht. Noch beim Öffnen des Kaltgetränks fuhr eine Taxe vor. Meine Crew stieg aus. 

 

Fortsetzung folgt...

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